Die Stadtverwaltung von Rotterdam setzt auf eine digitale Zukunft

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Die Daten in TenderNed (Anmerkung: Veröffentlichungsplattform der öffentlichen Hand in den Niederlanden, vergleichbar mit www.oeffentlichevergabe.de) sind eindeutig: Die Stadt Rotterdam ist der größte Einkäufer in den Niederlanden. Die Abteilung Beschaffung könnte nicht ehrgeiziger sein: "Gemeinsam die Ziele der Stadt erreichen, indem wir durch professionellen Einkauf das Beste für Rotterdam herausholen". Aber wie machen sie das? Wir sprachen mit Huub van Putte (Teamleiter Einkauf) und Richard Brabers (Einkaufsexperte).

Bei meinem vorherigen Arbeitgeber war ich hauptsächlich mit dem Ausschreibungsprozess beschäftigt - dem Anfang und dem Ende einer Ausschreibung. Jetzt bei der Stadt Rotterdam sehe ich auch die andere Seite. Zum Beispiel den Bestellprozess und wie er organisiert werden muss. Das wusste ich vorher nicht. Ich dachte, das ist Sache der Fachabteilung. Das ist der größte Vorteil, wenn man für ein größeres Unternehmen arbeitet; hier sieht man alles viel umfassender.

Richard Brabers

Und das, so Huub, sei auch der Grund, warum Rotterdam in den Niederlanden führend sei. "In Rotterdam ist alles groß: Kugelschreiber und Bleistifte, Schafe für die Deichweide, Firmenkleidung, fast alles muss europaweit ausgeschrieben werden."

Einkäufer dazu bringen, sich auf das zu konzentrieren, was Spaß macht!

In der Gemeinde ist Huub einer der Pioniere für alle möglichen digitalen Verbesserungen und Innovationen. Er selbst möchte "die Bürokratie im Beschaffungsprozess so weit wie möglich automatisieren". "Dann können sich die Einkäufer auf das konzentrieren, was Spaß macht." Deshalb beschäftigt er sich auch mit APIs, künstlicher Intelligenz und datengetriebenem Arbeiten. "Ganz am Anfang meines Einkäuferlebens war ich bei der Gründung von Negometrix (heute Mercell Niederlande) live dabei.“

Insgesamt arbeiten rund 50 Einkäuferinnen und Einkäufer für die Gemeinde. "Wir sind eine der wenigen Gemeinden mit einer zentralen Verwaltung und einer zentralen Einkaufsabteilung, die im Namen von verschiedenen Gruppen Ausschreibungen durchführt. Als Einkäufer muss man daher ein guter Sparringspartner für die Gruppen sein. Man muss gut mit ihnen reden können, über soziale Rendite, SVB (Anmerkung: Niederländische Sozial- / Rentenversicherung), Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und zum Beispiel auch über emissionsfreie Logistik kommunizieren können."

"Der Wissensstand ist hoch", fügt Richard hinzu. "Deshalb gibt es in der Regel keinen Streit über die Notwendigkeit einer Ausschreibung. Der Vertragsmanager innerhalb der Gruppe selbst weiß es bereits. Diese Verpflichtung ist ziemlich fest verankert. Die größte Herausforderung ist derzeit das Management der Kategorien: Wie kann man sie miteinander verknüpfen? Wenn ein Cluster an etwas arbeitet, wie kann man dann darauf zurückgreifen?

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Mehr als ein E-Procurement-System

Ein wichtiges Thema für den Einkauf ist die Digitalisierung. "Im Jahr 2008 arbeitete Rotterdam bereits mit Commerce-hub (was später Teil von Negometrix / Mercell wurde). Aber Commerce-hub wurde nicht von allen genutzt. Es gab damals keine zentrale Organisation. Einige Cluster nutzten es nicht, andere schon. In einigen Clustern gab es nur einen Einkäufer. Einige Jahre später musste das Beschaffungssystem neu ausgeschrieben werden. Bei dieser Ausschreibung wurde dann beschlossen, die Beschaffungsplattform für die gesamte Gruppe einzuführen.” 

"Wir wickeln alles über die Mercell Plattform ab: sowohl Nationale- als auch europaweite Ausschreibungen." Huub wirft derweil einen Blick auf sein eigenes Dashboard. "Im Moment sind es 525. Da sind die Miniwettbewerbe aus dem Dynamischen Beschaffungssystem (DBS) noch nicht mitgerechnet. Das sind weitere 1.500 Ausschreibungen in einem DBS! Aber man darf nicht vergessen, dass auch ein Team aus unserer Personalabteilung damit arbeitet."

Ein eVergabesystem allein reichte jedoch nicht aus. Die Gemeinde entwickelte ihr eigenes ROM (Rotterdam Online Market Approach Portal). Ein Leitsystem für Auftraggeber, das sie durch den gesamten Prozess führt.

Huub: "Es gibt etwa 3.000 Bewerber (auch Auftragnehmer genannt). Der Genehmigungs- und Anreicherungsprozess ist im Oracle-System so weit fortgeschritten, dass eine Verbindung zur Mercell-Plattform hergestellt werden kann. Stellt sich heraus, dass eine Bedarfsanforderung ausgeschrieben werden muss, wird sie von Oracle an die Mercell-Plattform übergeben, um eine Ausschreibung zu starten. Wenn die Ausschreibung abgeschlossen ist, wird sie archiviert und Mercell leitet die Vergabeakte an Oracle zurück.

Ein Schlüsselthema bei uns ist die "Aktenordnung". Dazu gehört auch das Vertragsmanagement, das muss mit der Vergabeakte aus dem Mercell-System angereichert werden. Zum Beispiel werden Felder mit Daten aus der ersten Anfrage immer wieder verwendet. Der Lieferant gibt seine Daten ein und sie werden automatisch übernommen. Einmal eingeben, mehrfach verwenden. Die Mercell-Plattform sendet also nicht nur die Akte, sondern auch andere Daten an das Vertragsmanagement. Man muss also nicht alles neu eintippen."

Für den DBS-Teilnahmewettbewerb haben wir eine Datenübernahme mittels Roboter (RPA) gebaut. Er übernimmt die Daten aus Mercell. Der Einkäufer gibt einen Lieferanten im DBS frei, und über Nacht wird dieser Lieferant in das Lieferantenmanagementmodul eingegeben. Der Roboter fügt im System die richtigen Dokumente hinzu. Der Einkäufer braucht nichts mehr zu tun. 

Huub: "Durch intelligente Verknüpfungen versuchen wir, manuelle Tätigkeiten zu vermeiden. Die Herausforderung besteht darin, diesen „dummen“ Roboter weiterzuentwickeln. Er tippt nur Daten ein. Wir möchten einen „intelligenten“ Roboter einsetzen, der z.B. auch prüfen kann, ob es den Lieferanten schon gibt und ob vielleicht schon schlechte Erfahrungen mit dem Lieferanten gemacht wurden. Und dann sind wir bei künstlicher Intelligenz. 

Wie wird sich das auf den Einkauf auswirken?

"Die Unterstützung durch das System bleibt das Wichtigste. Was auch immer die technische Entwicklung mit sich bringt, das wird so bleiben. Es wird eine Veränderung im Anforderungsprofils von Einkäufern geben, die man zukünftig benötigt. Das werden nicht mehr die operativen Verwalter sein. Es werden die Kommunikatoren, die Verhandler und Vermittler benötigt. Die werden nicht mehr in Formulare eintippen, um den Abruf zu machen, das wird alles automatisiert. Durch diese Automatisierung kann man sich als Einkäufer mehr auf die eigentliche Beschaffungsarbeit konzentrieren.”

Richard fügt hinzu: "Das Gleiche gilt für die Archivierung der Vergabeverfahren, die automatisiert erfolgt und viel Arbeit erspart. Gemeinsam mit Mercell sorgen wir dafür, dass diese administrativen Tätigkeiten auf ein Minimum reduziert werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Sicherstellung der Wiedererkennbarkeit und Vereinheitlichung von Fragen. Wir haben eine Bibliothek mit Wissensdokumenten und Bewertungssystemen aufgebaut. Da ist alles drin. Nicht nur die Vorlagen, sondern auch alle Dokumente mit Erläuterungen."

"Das Wichtigste ist die optimale Unterstützung der Beschaffungsprozesse. Wenn man eine verhandelte Ausschreibung versendet, muss man sich keine Gedanken machen, ob die Post ankommt."

“Für mich ist die wichtigste Funktion der Mercell-Software der digitale Safe. Das ist die eigentlich die Stärke von Mercell. Zur Sicherstellung der Objektivität und Integrität ist der digitale Safe als öffentlicher Auftraggeber ein absolutes Muss.”

Huub Van Putte
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In all den Jahren, in denen die Stadt Rotterdam mit Mercell zusammenarbeitet, ist mehr entstanden als die Bereitstellung und Nutzung eines digitalen Vergabemanagementsystems. Huub: "Der Mehrwert liegt darin, dass wir zusammen gewachsen sind. Nicht nur die Software, sondern auch durch die Beratung, die Unterstützung und die gute Zusammenarbeit. Vor Corona kam jeden Monat ein Mercell Berater zu uns zu unterstützen. Diese zentrale Anlaufstelle hat unsere Zusammenarbeit sehr beflügelt. Auch die Schulungen haben wir inhouse vor Ort in Rotterdam durchgeführt. Das fehlte uns in der Corona-Krise. Sobald es wieder erlaubt ist, werden wir das wieder aufnehmen. Das ist so wichtig für unsere Junioreinkäufer. In der ersten Gruppe wurden alle mit ihrem Diplom fotografiert, das vergessen sie nie!

"Jeden Monat treffen sich unsere internen Administratoren mit dem Mercell-Kundenbetreuer, um in Feedbackrunden Fragen und Verbesserungen zu besprechen und sich auszutauschen. Darüber hinaus treffen wir uns vierteljährlich auf strategischer Ebene. Da wir uns auf verschiedenen Ebenen austauschen, ist die Zusammenarbeit wirklich effektiv."

"Die meiste Zeit geht nicht für die Vorbereitung in dem Vergabemanagementsystem drauf. Das Wichtigste ist, mit den Clustern zu diskutieren, was sie wirklich wollen. Und wie man das herausfindet. Dazu braucht man professionelle Werkzeuge, die man gerne nutzt. Deshalb wollen wir in Zukunft auf die neueste Version des Mercell Vergabemenagementsystems umsteigen. Diese ist für unsere Mitarbeitenden und auch für unsere Lieferanten noch intuitiver und einfacher zu bedienen.  

Effizienzsteigerung und umfassender Überblick durch digitale Tools 

Wir wollen die digitalen Lösungen wie zum Beispiel Checklisten viel stärker nutzen", sagt Huub. Checklisten helfen unseren Mitarbeitenden wie z.B. interne Vergabeexperten dabei, bestimmte Freigabeprozesse zu durchlaufen, bevor der Einkauf die Genehmigung zum Start eines Vergabeverfahrens erhält. "Das bewirkt eine enorme Effizienzsteigerung. Anstatt manuell Formulare zu erstellen, werden Ausschreibungen komplett digital im System abgebildet. Darüber hinaus haben wir den großen Vorteil, das unsere sechs Vergaberechtsspezialisten alle Ausschreibungen prüfen und uns mit Rat und Tat zur Seite stehen. Das findet man in keiner kleinen Gemeinde."

"Das Ergebnis? Wir haben alles unter Kontrolle. Dank optimaler Prozessgestaltung, einem großartigen Team, modernster Technologie wie Robotik und KI sowie hochqualifiziertem Personal, um das uns viele beneiden. Der erste NEVI-Käufer für den sozialen Bereich wurde bereits beliefert. Dies ist jedoch eine Gemeinschaftsleistung, an der wir weiterhin arbeiten müssen. Dabei soll der Spaß nicht zu kurz kommen. Es ist wichtig, die Kontrolle zu behalten, die Akten ordentlich zu führen, auffindbar zu sein, einen Mehrwert für die Cluster zu schaffen und stets die Legalität im Auge zu behalten."

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